Klaus Bechstein im Frühjahr 2006 "Die Verbindung der Elektrotechnik und Elektronik mit der Musik gehört zweifellos zu den auffälligsten Faktoren, die die Entwicklung der musikkulturellen Verhältnisse und musikalischen Produktivkräfte in unserem Jahrhundert bestimmen." Dieses Zitat von Frank Schneider stammt von einer 1976/77 veröffentlichten Schallplatte mit Werken von Siegfried Matthus, Bernd Wefelmayer und Paul-Heinz Dittrich. Die Stücke von Wefelmayer und Matthus wurden bereits 1966 produziert. Verantwortlich für die "Elektronische Realisation" war ein Herr, dessen Name auf einer Vielzahl von Subharchord-Produktionen zu finden ist. Ein Mann der Praxis, der die Geburt der Elektronischen Klangerzeugung aus nächster Nähe erlebt und dabei tätig mitgewirkt hat: der Toningenieur Klaus Bechstein. Herr Bechstein war
so freundlich sich für ein längeres Interview zur Verfügung
zu stellen. MM: Herr Bechstein, sie hatten sich ja vor längerer Zeit einen Beruf ausgesucht, der die Brücke schlägt zwischen technischen, akustisch-physikalischen Aspekten und künstlerischen, musikalischen Aspekten. Jetzt würde mich interessieren, wie fing das bei Ihnen an, war das Interesse für beide Bereiche gleich groß oder hat Sie vielleicht eher der technische Aspekt interessiert? Wie kam es, dass Sie sich für Ihren Beruf damals entschieden haben? KB: Also, ich habe mich für diesen Beruf entschieden als ich mit dem damaligen aufkommenden UKW-Rundfunk nicht zufrieden war bei uns hier in unserer Republik, also ich war ja in der DDR und ich hatte ursprünglich geschwankt, nehme ich diese Richtung, technisch, oder nehme ich eine andere Richtung, das wäre eventuell Veterinär gewesen. Das habe ich dann völlig fallen lassen, diese Richtung, weil ich auch gemerkt habe, dass es mit dem Lateinischen nicht so sehr gut war bei mir [lacht] und da habe ich gesagt, nu, da legst du dich, ... - nachdem ich ja durch die Kriegsnachwirren vom Gymnasium wieder an die Grundschule zurückkam, ich weiß nicht wer alles diese Entwicklung kennt, was da damals gelaufen ist, - ich war also auf dem Gymnasium und war dann wieder in meine alte Grundschulklasse zurückgekommen, mit großem Hallo, kann man sich ja vorstellen, und da habe ich gesagt, so, jetzt machst Du die Oberschule dann weiter, aber nicht in der sprachlichen Richtung, da bin ich nicht so recht begabt, das wusste ich zu dem Zeitpunkt, sondern gehst mehr in die technische Richtung rein, was mich auch sehr interessiert hat. Ich habe dann mein Abitur gemacht und anschließend konnte ich nicht studieren aufgrund dessen, was mein Vater gewesen ist, war damals alles etwas schwierig und dann habe ich richtig eine Lehre angefangen, als Elektromechaniker in einem Betrieb, das ist ein ehemaliger Siemens-Betrieb gewesen, der zu diesem Zeitpunkt natürlich schon VEB war. Aber, die ganzen Leute, die dort waren, das waren zum Teil noch die alten Leute und die Materialien, die wir dort vorfanden, die waren teilweise auch noch aus der Zeit von Siemens her. Ja, da habe ich richtig von der Pike auf gelernt. Und dann hatte ich die Möglichkeit danach dann erstmal an eine Ingenieurschule zu gehen, als Facharbeiter und mit Abitur hat das dann geklappt. Damals musste man eine Aufnahmeprüfung machen, das stellte für mich kein Problem dar. Es wissen heute viele nicht mehr, dass man ein Studium nur machen konnte wenn man eine Aufnahmeprüfung vorher gemacht hat. Sonst ging das nicht. [lacht] Ja, und dann habe ich richtig Ingenieur für Nachrichtengerätebau studiert und in dieser Zeit, - ich hatte damals in dem Betrieb den Betriebsfunk gemacht, da fing das schon an -, da hatte ich Verbindung zu dem Studio Gera. Das war so ein kleines Bezirksstudio, was da dran hing, und da hatte ich dann dadurch schon Direktverbindung zum Rundfunk und da hatte ich dann gesagt: gut, dann machst du dein Praktikum beim Rundfunk und beim Fernsehen. Und das fiel genau in die Zeit rein wo der große Umzug hier in Berlin war, in der Masurenallee war Schluss, die Nalepastraße war gerade fertig geworden, die brauchten dringendst Leute, so dass das überhaupt kein Problem war sofort eine Stelle da zu kriegen. Im Gegenteil, wir wurden ja in der Schule angeworben. Das heißt, die Kommission kam dort hin und befragte dort Studenten: "Wer möchte zu uns kommen?". Das war natürlich das gefundene Fressen, ich habe gesagt: "Ja, sofort, als Toningenieur". Und so habe ich dann beim Rundfunk angefangen, auch dort wieder von der Pike auf. Das geht mit Cuttern los. Wer das noch weiß aus der Geschichte, damals gab es ja noch richtig die getrennten Cutter-Räume. Da waren meistens Frauen, die das als Beruf machten. Aber wir, als werdende Toningenieure, mussten alle die Dinge, die dort vorkommen, natürlich selber können, also das auch richtig lernen, aus dem ganz einfachen praktischen Grund: wenn ich später Toningenieur bin, - und ich hatte ja Assistenten -, dann musste ich der Assistentin sagen können, wenn die sagte "das geht nicht", - entweder wusste ich, es geht wirklich nicht, oder ich sagte "das geht doch, und wenn Sie sagen, das geht nicht, dann zeige ich Ihnen dass das geht". Also musste ich es können. Das galt für alles. Da hat man einen richtigen Durchlauf gemacht, durch alle Stationen durch, auch über den Aktuellen Dienst, mit dem ich ja dann ja später nichts mehr zu tun hatte. Später war ich dann ich dann im sogenannten Produktionsdienst drin und das kann man eigentlich vergleichen mit einer Schallplattenfirma. Diese ganze Abteilung und der gesamte Block B in der Nalepastraße ist eigentlich eine Schallplattenfirma gewesen, denn dort wurde nur produziert, künstlerisches Wort und die gesamte Musik, und das wurde ja an die einzelnen Sender -, die im Aktuellen Dienst waren, die waren ja in einem völlig anderen Block drin, - wurde von denen ja quasi gekauft oder in Auftrag gegeben. Das ist eine Entwicklung, die Westdeutschland in dieser Form überhaupt nicht kannte, weil das alles eben zentralisiert war. Wir haben also für alle Programme des DDR-Rundfunks Zuarbeit gemacht und außerdem engste Zusammenarbeit mit Fernsehen und der Schallplatte, also mit dem VEB Schallplatte, - es gibt von mir auch Schallplatten. Ja, so fing das an. Und dann habe ich später noch, - ich war sehr technisch interessiert, das ist also mehr meine Richtung gewesen, mehr in das Technische rein -, und das führte dann dazu, dass dann, als es um die Elektronische Musik ging, und als in Adlershof dort ein Experimentalstudio der Deutschen Post zu arbeiten begann, dass ich da sehr bald dazugezogen wurde, weil geplant war dass in die Nalepastraße ein elektronisches Studio kommt, und das sollte ich dann übernehmen. Dazu ist es dann aufgrund politischer Umstände nie gekommen, weil diese ganze Richtung, das weiß eigentlich jeder, - die war der Partei nicht so ganz genehm. Wir haben also kein elektronisches Studio gekriegt, sondern, die Geräte, die dafür gefertigt waren sind zum Teil verschrottet worden und das SUBHARCHORD wollten wir natürlich unbedingt im Hörspiel haben, - da hat die Dramaturgie dann das Geld gegeben und hat es gekauft. Das war dann also aus dem Posteigentum herausgegangen und gehörte der Dramaturgie, stand aber damals schon im Hörspielkomplex 1, im Regieraum. Ich habe also vorher sehr viele Produktionen im RFZ gemacht, in diesem Studio, und war aber hauptamtlich natürlich weiterhin Hörspiel-Toningenieur und habe dann auch in dem Hörspielkomplex mit vielen Komponisten zusammengearbeitet wo wir also auch elektronisch auf dem SUBHARCHORD produziert haben. Aber ich war eben auch an der Entwicklung mitbeteiligt vom Subharchord. Ich kam dort mit dem Herrn Schreiber zusammen [Anmerkung: Herr Ernst Schreiber gilt als Erfinder des Subharchords], der die Entwicklung angefangen hatte und der vom WF (Werk für Fernmeldewesen) herkam ursprünglich, und der war ja eigentlich ein Orgelbauer. Er hatte dort die Toccata-Orgel entwickelt, die an der Berliner Staatsoper eingesetzt wurde. Also auch ein Ingenieur, der hatte aber die Zielstellung, der wollte eine elektronische Orgel bauen, die an eine Pfeifenorgel weitestgehend angenähert war, das heißt, seine Spezialität war, sich auf die Einschwingvorgänge zu werfen, die ja bei normalen elektronischen Orgeln völlig vernachlässigt sind und dadurch eigentlich sofort erkennen lassen dass das keine herkömmliche Orgel ist. MM: Da hat er ja auch ein Patent angemeldet, der Herr Schreiber, gerade was diese Einschwingvorgänge betrifft. KB: Ja, mit
ihm habe ich engstens zusammengearbeitet, aber da er ja nicht aus der
Richtung Studiotechnik kam, hatte er im SUBHARCHORD einige Dinge nicht
beachtet gehabt, die uns dann im Hörspiel später sehr viel Kummer
gemacht haben. Weil wir das SUBHARCHORD anschließen mussten an die
technische Anlage dort und wir haben das natürlich nicht nur zur
reinen Klangerzeugung verwendet, sondern weitestgehend auch zur Klangbearbeitung.
Und da war es für mich wichtig, dass ich irgendwelche vorbereiteten
Signale in das SUBHARCHORD einführe und dazu mussten natürlich
die Anschlußbedingungen entsprechend stimmen, mit Symmetrie, - im
Studio wird ja mit Symmetrie gearbeitet -, und dann dort im SUBHARCHORD
verformt, mit den Mitteln des SUBHARCHORDS, und dann wieder raus. Das hatte Herr Schreiber nicht gewusst. Wie das kommt weiß ich bis heute nicht, ich habe mich dann jedenfalls darüber etwas gewundert gehabt und habe dann gesagt, so, da bleibt nichts weiter übrig, ich werde die Verstärker entkoppeln. Ich habe das selber zusammengelötet, zuhause, auf der vorhandenen Leiterplatte entsprechende Trennstufen mit Transistoren, die es damals gab, - da habe ich dann die Siliziumtransistoren eingesetzt dafür, während ja das SUBHARCHORD eigentlich bestückt ist mit Germaniumtransistoren, es war ja ganz neu damals. Und der Hauptgenerator ist ja weiterhin ein Röhrengenerator geblieben, weil man mit den Transistoren damals einfach nicht die entsprechende Stabilität erreicht hätte hinsichtlich der Tonhöhe! MM: Da muss ich jetzt gleich eine Zwischenfrage stellen: im Rahmen meiner Kontakte mit Menschen, die heute noch mit dieser Technik beschäftigt sind, da gibt es Streitfragen: "was ist denn nun besser, Silizium oder Germanium?". Die einen meinen, bei der Konstruktion ist das eine besser, das klingt irgendwie besser, und die anderen sagen "nein, nehmen wir doch mal lieber das". KB: So, da kommen wir an einen Punkt, den nenne ich "die Glaubensfrage"! Als Ingenieur weiß ich, dass von diesem vielen Gerede vieles überhaupt nicht stimmt. Also: Germaniumtransistoren hatten den großen Nachteil, dass sie ja unglaublich wärmeempfindlich sind und dadurch ihr Arbeitspunkt natürlich ständig "wegläuft" und das war einfach mit den Siliziumtransistoren besser. Hinsichtlich der Klangfarbe ist da überhaupt kein Unterschied. Das hängt einfach von der Kurvenform ab und wenn man nicht voll aussteuert, sondern wenn man auf den geradlinigen Teilen der entsprechenden ... wir nennen das "Flanke", das kann man ja zeichnerisch darstellen, wie also das Eingangssignal zum Ausgangssignal gewandelt wird ... und das muss eben weitgehend linear sein. In der Praxis ist das natürlich überhaupt nicht linear und da ist der Unterschied natürlich insofern zwischen Röhre und Transistor: eine Röhre "knickt ganz langsam ab", das heißt, wenn man dort übersteuert, treten andere harmonische oder disharmonische Obertöne auf, also in einem anderen Spektrum als beim Transistor. Der Transistor bleibt nämlich weitgehend linear und dann "knickt er ganz scharf ab". Das ist dann richtig ´ne Kante und dadurch entstehen natürlich sehr hässliche Obertöne, - wenn er übersteuert wird. MM: Ist das ungefähr vergleichbar mit dem unangenehmen Effekt des "Clipping" im Digitalen? KB: Ja, ganz genau. Denn es ist eigentlich dann auch ein "Clipping" und sie wissen ja, wenn man "clipt" entstehen eben neue unharmonische Frequenzen. MM: Nun eine ganz andere Frage: es war im Rahmen meiner mehrjährigen Recherche ganz schwierig Informationen zu bekommen über Herrn Schreiber. Es hat sich für mich da kein richtiges Bild ergeben. Kam der Herr Schreiber vielleicht eher aus dem Bereich der Musik? KB: Ja. Der war eigentlich mehr Musiker als Ingenieur, so hatte ich manchmal den Eindruck. er konnte sehr gut Orgel spielen. Was ich natürlich nicht kann. Er kam also eher aus der Musik-Richtung und hatte sich das Ziel gestellt billiger zu Orgeln zu kommen. Das ist wohl der Ausgangspunkt gewesen. Diese Überlegung, dass eine elektronische Orgel ja letztendlich doch billiger ist als eine Pfeifenorgel. Und man also Wege gesucht hat, wie kommen wir von diesen unglaublich teuren Pfeifenorgeln weg, für viele praktische Belange. Und dann kam eine Zweitentwicklung, also das RFZ hat den Herrn Schreiber eingestellt und dann, - das RFZ hatte ja eine Zielstellung "elektronisches Studio", - da braucht man entsprechende Klanggeneratoren, und da war natürlich die Orgel auch angedacht und dann kam die SUBHARCHORD-Entwicklung , die ja ein ganz anderes Prinzip bedeutet, weil ja dort nicht synthetisiert wird wie bei einer Orgel, sondern weil ja dort "geteilt" wird. Das heißt, das SUBHARCHORD ist in Wahrheit ein einstimmiges Instrument, es hat nur einen Tongenerator, der aber sehr stabil war und der schwingt relativ hoch, ich kann jetzt nicht mehr sagen, in welchem Frequenzbereich der eigentlich gearbeitet hat. Der war also sehr hoch angelegt und dann teilt man einfach runter. Die Besonderheit beim SUBHARCHORD war, dass man diesen Generator über eine Tastatur ansteuern konnte, dazu ist eine Elektronenorgeltastatur verwendet worden. Weil das "Bandspiel" auf einem Bandmanual sehr schwer zu beherrschen ist. Das ist ja das Problem mit Oskar Sala gewesen, der das angewandt hat, der natürlich selber sehr gut darauf spielen konnte, aber für andere ist das äußerst schwierig gewesen. Die Zielstellung bei uns ist gewesen, dieses Instrument sollte von Komponisten jeder Art selbst bedient werden können, unter Anleitung, aber sie sollten selber darauf spielen können. Deswegen kam eigentlich sofort die Idee der Tastatur. MM: Waren sie Zeuge dieser Entscheidung, wie man überhaupt auf die Subharmonischen kam? Haben sie diesen Verlauf mitbekommen, in welchem Rahmen man sich nun ausgerechnet auf diese ja für manche vielleicht schwer zu begreifende Form der Frequenzteilung spezialisierte? KB: Ich würde sagen, als Techniker war das uns nichts neues. Jeder Ingenieur weiß, dass man durch Teilung subharmonische Frequenzen herstellen kann. Das Problem war, wenn man nicht nur einen Ton teilt, sondern wenn man diesen Ton quasi vorher spielt, d.h. die Synchronität der Teiler. Das war das Hauptproblem und da hat ja auch Herr Schreiber ein Patent darauf, dass das über einen riesigen Bereich zu machen ging. Da waren auch noch andere Ingenieure daran beteiligt aber dazu kann ich persönlich nun gar nichts sagen. Jedenfalls das ist das Problem gewesen was man da gelöst hatte. Das man nun über einen großen Bereich teilen konnte mit beliebigen Teilungsverhältnissen aber im Rahmen der umgekehrten Obertonreihe. Das ist ja ein physikalisches Prinzip, ich halbiere, ich drittel, fünftel u.s.w. und das Überraschende war ja, wenn man diese Klänge hört, es ist eben eine ganz andere Art von Klang. Er ist mathematisch rein und das ist ein Problem. da hat man das selbe Problem ähnlich wie mit der temperierten Stimmung: die Töne sind klanglich für´s Ohr falsch! MM: Hat das damit zu tun, dass beim Erklingen der Obertonreihe die Obertöne mit dem Grundton verschmelzen, und dass das bei der subharmonischen Reihe noch differenziert gehört wird? KB: Ja, ich habe da keine richtige Erklärung dafür, es muss irgendwie so zusammenhängen. Hier ist es eben ein errechnetes Produkt, und wenn ich nach unten teile ist ja dann der tiefe Teilton der Hauptton. Das heißt, der hat die größte Energie und das steht natürlich in völligem Wiederspruch zu unserer Hörerfahrung. Da ist es ja umgekehrt. Da ist ja der Grundton der Lauteste und alles andere wird immer leiser. MM: Bei dieser Entwicklung, bei dieser Spezialisierung auf die Subharmonischen, war da primär daran gedacht wirkliche Musik, vielleicht auch "Neue Musik" zu erzeugen, oder hatte man an erster Stelle die Anwendung im Filmbereich im Kopf? KB: Nicht nur im Filmbereich. Man hatte natürlich die Anwendung im Kopf, dass damit Effekte zu erzeugen sind - und Musik. Das lief parallel. Das Studio was der Rundfunk bekommen sollte war ja nun eindeutig dazu da, dass beides gemacht wird. Dass selbständig Musik produziert wird durch die Komponisten und dass es außerdem verwendet wird für die Effekt-Herstellung für Hörspiele. Und dass das natürlich beim Film genauso wichtig war war logisch. Wir haben ja auch alle zusammen gearbeitet. Als ich dann später noch ein zweites Studium angeschlossen habe, - ich habe da vorher nicht darüber gesprochen, ich habe ja später an der Musikhochschule noch ein Sonderstudium gemacht -, als das klar war, dass ich dieses Studio übernehmen sollte, habe ich gesagt "dann brauche ich noch mehr theoretische Kenntnisse in der Musik, die ich nicht habe", denn meine musikalischen Kenntnisse waren ja mehr privat angeeignet. Ich war eben ein richtiger Ingenieur! Und dieses [Zweit-]Studium, das habe ich ja gemeinsam zusammengemacht mit Toningenieuren von der Schallplatte, mit Toningenieuren vom Trickfilmstudio, die alle ähnliche Gründe hatten. Man muss ja bedenken, dass bei uns auf die Ausbildung ein enormer Wert gelegt wurde, für die wirklichen Toningenieure. Also wir sind keine Techniker wie man sonst immer denkt, sondern das sind wirklich ausgebildete Ingenieure, die noch ein volles Musikzusatzstudium haben. Das hat natürlich nach der Wende dazu geführt, dass wir praktisch nicht unterkommen konnten, weil wir eigentlich viel zu teuer sind! [lacht] Also, man sagt dann "überqualifiziert". MM: Jetzt habe ich hier einen Produktions- und Besetzungsplan aus dem Funkhaus, von 1966. Wenn man jetzt daran denkt, hier sind Leute wie Wefelmayer verzeichnet oder Matthus, und Hohensee auch, die ja mit dem SUBHARCHORD bekannte Sachen produziert haben, wenn man jetzt daran denkt, das war 1966 und das Elektronische Studio der Technischen Universität in West-Berlin wurde 1954 eröffnet, und dann gab es ja schon davor das Studio im Kölner Funkhaus. Hat man vielleicht geguckt, was machen die da? Hat man das beobachtet, zur Kenntnis genommen? KB: Also unter den Machern wurde das natürlich zur Kenntnis genommen und da wurde sich auch ständig informiert, was machen die und wie machen die das. Ich habe mich auch während meines Studiums mit der musikalischen Klangstruktur und ähnlichen Dingen beschäftigt. Übrigens wurde das da alles ziemlich offen behandelt. Es war nicht etwa geheim. Die Ton-Leute, die wussten da schon ganz schön Bescheid was es gibt auf der Welt. Außerdem sind wir ja auch in unseren Studios dort in der Nalepastraße relativ frei gewesen. Wir hatten sehr starken internationalen Austausch. MM: Mir fiel auf, als ich den Tonträger-Nachlaß des RFZ verzeichnet habe, dass sich erstaunlicherweise Bänder dort fanden aus Studios aus aller Welt. Der Austausch war für mein Empfinden absolut beachtlich. Und dann war es ja so, der Produktionsplan der stammt von 1966 und schon vorher wurde die Platte "Experimentelle Musik" veröffentlicht mit entsprechenden Stücken von Wehding, Hohensee und anderen, im Jahr 1963/64. Hatten sie damit etwas zu tun, können sie sich an die Produktion erinnern? KB: Also, an den allerersten Anfang nicht, da war ich noch nicht dabei. Aber ziemlich bald, mit Wehding habe ich auch produziert, mit Matthus sowieso, da war ich der Toningenieur. Wefelmayer hat mit mir zusammen ja seine Diplomarbeit gemacht auf diesem Gebiet. MM: Sie sagten gerade, sie waren nicht von Anfang an dabei. Wann haben sie dort angefangen? KB: Das müsste so um 1965 herum angefangen haben, wo ich dazugestoßen bin von der Rundfunkseite her. Ich kann mich irren, ich habe darüber leider keine Unterlagen. MM: Man konnte in den sechziger Jahren ja schon auf eine Geschichte der elektronischen Musik zurückblicken. Das heißt, dass vieles gar nicht so neu war ... KB: Es ist tatsächlich so, in dem Moment, wo man Klänge irgendwie technisch aufzeichnen konnte, kam auch sofort die Möglichkeit mit diesen Aufzeichnungen irgend etwas zu manipulieren. Sofort! Und das ist beim Film so gewesen und das war auch bei Rundfunk, beim Hörspiel so. Das fing mit den einfachsten Dingen an, dass man eben eine Schallplatte rückwärts drehen kann und in dem Moment wo es das gab, hat man das auch genutzt. Jeder musste natürlich viel Phantasie haben um sich zu überlegen, wie kann ich denn irgend einen Effekt herstellen, bei dem der Hörer sich zunächst überhaupt nicht vorstellen kann wie der entstanden ist, weil es das so in der Natur nicht gibt. Das ist eigentlich auch der Anfang der elektronischen Musik gewesen, das ist immer parallel gelaufen. Und dann haben sich eben die praktischen Geräuschemachstudios, so würde ich jetzt mal sagen, gebildet und parallel dazu die reine elektronische Musik. Da muss man ja vorsichtig sein mit dem Begriff, da hat es ja immer Probleme gegeben, wie bezeichnet man das überhaupt, ist das Musik oder ist es keine Musik. Andererseits kann man sagen, in dem Moment, wenn ich eine Komposition schreibe, das heißt wenn ich irgendwelche Abläufe festlege, dann handelt es sich um Komposition, da fängt die Kunst an. MM: Wie haben denn Leute wie Wehding oder Hohensee darüber gedacht? Gingen die sehr frei mit diesem neuen Medium, mit dem neuen Instrument SUBHARCHORD um? Oder war zu vermuten, dass da erst einmal die erlernten Konventionen überwunden werden mussten indem man versuchte neues Terrain zu beschreiten? KB: Ja, das war sicher immer gemischt. Bei manchen Komponisten kann man das deutlich beobachten, dass sie in ihrem alten Handwerk verharrten und versuchten das was sie eben kannten jetzt auf so einem Instrument umzusetzen. Das war dann sehr konventionell angelegt, und andere gingen sofort ganz anders ran und sagten "also wenn ich schon sowas habe, dann mache ich auch was völlig neues". Wehding hat sehr viel produziert, aber das ging mehr in Richtung Unterhaltung, sehr viele Filmmusiken und da wurde eben mehr tonal gearbeitet. Aber wer die Stücke kennt, der weiß, dass er auch alles andere versucht hat einzusetzen. Dann kamen eben auch andere Komponisten, die sagten, so, jetzt haben wir hier neue Mittel und die versuchen wir von Grund auf mit neuen Überlegungen anzuwenden. Und dann geht es eben sehr weg von der herkömmlichen Musik und dann kommt man zu dem Punkt wo die elektronische Musik entsteht, die eigentlich zunächst nur von denen verstanden werden kann, die wissen, wie ist das überhaupt entstanden, die wissen, das ist auch Komposition, die wissen, da sind auch Gesetzmäßigkeiten angewandt worden. Aber wer das das erste Mal hört weiß damit nichts anzufangen. Das ist wie auf allen Gebieten, dazu gehört in der Schule, im Musikunterricht eine Schulung, - und wer macht das? MM: Wie war das in der Nalepastraße, dort stand der weiterentwickelte SUBHARCHORD-Typ. Wie sah die Arbeit mit diesem weiterentwickelten SUBHARCHORD-Typ in den Jahren aus und bis wann wurde der ihres Wissens nach überhaupt benutzt, dieser SUBHARCHORD Typ II, oder wie es in manchen Aufzeichnungen heißt, "Typ III"? Das hat ja ein bisschen variiert. KB: Na, diese kleinen Variationen entstehen dadurch, dass die Instrumente kleine Änderungen haben. Es gibt, glaube ich, nicht ein einziges Instrument, das einem anderen genau entspricht. Es ist immer irgendetwas daran verändert worden. Es war eben auch immer noch in der Entwicklung. Jedes Bau-Muster was gebaut wurde hatte auch irgendwelche kleinen Änderungen, wo man eben in der Zeit schon wieder neue Erkenntnisse hatte und versucht hat das dann auch gleich dort mit einzubringen. Denn es wurde ja im Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt RFZ gebaut, dort wurde ja die ganze Zeit weiterproduziert, experimentell. Da kam viel Erfahrung zustande und wir, wie gesagt, im Hörspielstudio hatten auch unsere Erfahrung, wo es dann eben zu diesem Umbau kam um diese Verzerrung wegzuschaffen und dadurch war das natürlich ein Instrument, was viel "sauberer" war als die anderen. Aber benutzt wurde das bis zur Auflösung [Anmerkung: des DDR-Rundfunks!]. Das war immer in Nutzung. Sowohl für eigenständige Produktionen dort, wo das dann eingeplant werden musste in Zusammenhang mit den Hörspielterminen, was ein bisschen schwierig war, weil ja sehr sehr viel dort produziert wurde und dann mussten die Komponisten, die dort eigenständig arbeiten wollten sehen, dass sie ihre Termine bekommen konnten, weil in dieser Zeit ja kein Hörspiel produziert werden konnte, weil wir was anderes dort gemacht haben. Es haben ja viele Kollegen von mir auch dort mitgearbeitet, also die Toningenieure im Hörspiel, die wussten alle über das SUBHARCHORD auch Bescheid und es waren bestimmte spezialisiert drauf, die dann auch, - es ergab sich dann so -, auch mit bestimmten Komponisten gerne zusammengearbeitet haben. Das ist ja ein ganz enges Verhältnis, was man da braucht, weil ja beide ganz eng zusammenarbeiten müssen. Ich muss ja beim andern praktisch immer "die Gedanken ablesen" und umgekehrt ist es auch so, ich muss oftmals dem Regisseur oder dem Komponisten sagen: "wenn ich jetzt das und das so und so mache, dann habe ich im Hinterkopf schon das Ergebnis, ich kann dir das aber noch nicht zeigen, das wissen wir erst nach vielen vielen Arbeitsgängen was eigentlich wirklich dabei herauskommt". Das ist die schwere Arbeit, vor allem mit Regisseuren gewesen, die immer gleich das fertige Ergebnis haben wollten. Ich sagte immer: "nein, das haben wir erst nach einiger Zeit, wir müssen das erstmal zusammenbasteln, sozusagen." [lacht] MM: Das heißt, dann war das SUBHARCHORD in der Nalepastraße also bis Mitte oder Ende der 80er-Jahre offensichtlich noch in Betrieb? KB: Ja, bis Ende der 80er, bis zur Auflösung. Und es ist ja bis heute in Betrieb, genaugenommen! Gut, es wurde dann immer weniger verwendet, da weiß ich jetzt nicht, ob das eine Mode-Sache war oder ob man die entsprechenden Komponisten nicht hatte, die es eingesetzt haben, Aber es wurde genutzt. Und dann kam irgendwann einmal ein Zeitpunkt, wo kleine Fehler auftraten und da musste man sich dann überlegen, was kann man machen und was muss man weglassen weil irgendwas nicht geht. Das Problem kenne ich von der großen Orgel im großen Sendesaal in der Nalepastraße, die ja eigentlich nie richtig funktioniert hat, die aber sehr schön aussah und wo ich weiß, dass ich mit irgendeinem Komponisten dort auch mal aufgenommen habe und der hat sich dann erstmal an die Orgel gesetzt und hat ausprobiert, was geht eigentlich und was geht nicht und musste danach seine Komposition machen! [lacht] MM: Dieses Verfahren ist mir sehr vertraut, so habe ich es mit dem SUBHARCHORD -Prototyp in der Akademie der Künste auch gemacht! Lange bevor das SUBHARCHORD später optisch und technisch überholt wurde. [Anmerkung: die Aufnahmen sind im bereits im Januar des Jahres 2003 von Manfred Miersch auf dem größtenteils noch gut funktionierenden Subharchord I/II eingespielt worden. Die Restaurierung des Subharchord-Prototyps war im Mai 2005 vorläufig beendet.] Als ich die ersten Male in der Nalepastraße war, das war Mitte 2003, da haben wir verschiedenes ausprobiert [Anmerkung: am dortigen Subharchord II/III] und es kam kein einziger Ton ´raus. Es galt und gilt wohl immer noch als defekt. KB: Na, also ich habe mit dem Peter Kainz gesprochen und er sagte mir, das würde eigentlich doch gehen [Anmerkung: Herr Kainz hatte das Subharchord bei der Übernahme des Hörspiel-2-Studios als zum Studioinventar gehörendes Stück sehr günstig erworben]. Ich habe es noch erlebt, dass der Hauptverstärker fürchterlich geprasselt hat und das ist nun leider ein Musterbau gewesen, der, um es jetzt mal technisch auszudrücken, was da eigentlich los war, was wir dort gemacht haben oder was Herr Schreiber dort gemacht hatte, in Zusammenarbeit mit den Entwicklungsingenieuren der "700er Technik". Das ist ja alles parallel gelaufen, das muss man sich überlegen, es wurde also eine neue Studiotechnik entwickelt, gleichzeitig wurde an dem SUBHARCHORD entwickelt. Letztendlich von den gleichen Leuten. Wir hatten als Hauptverstärker dort drinnen einen Muster "V-700", der aus zwei getrennten Leiterplatten bestand, der, glaube ich, auch sogar noch mit Germanium-Transistoren bestückt war, das weiß ich jetzt nicht mehr genau. Später hatten die ja auch dann Silizium-Transistoren. Und zwischen diesen beiden Leiterplatten war die optische Lautstärkeregelung eingeschleift. Die wurde ja optisch geregelt, damit nichts knackt, nichts rauscht oder irgendsowas macht. Nun hatten wir dann den Verstärker zur Messtechnik gegeben, ich habe das auch nicht gewusst, dass das eine völlig andere Leiterplatte ist als bei den üblichen Verstärkern, und die stellte fest: es tut uns leid, wir haben davon gar keine Schaltung, wie der eigentlich gebaut ist und die heutigen Leiterplatten ... , (die also in den späteren V-700 drin waren), ... die sehen völlig anders aus, wir können den nicht reparieren!" Da ist dann irgendwie was liegengeblieben, das könnte einer der Gründe sein warum dann wenig gemacht wurde, weil eben einiges nicht mehr so richtig funktionierte. Die Zeit war darüber hinweg, weil mittlerweile ja die ganzen Synthesizer voll greifbar waren und dort manches sehr viel schneller ging, ganz speziell für´s Hörspiel kam man schneller zu Ergebnissen. Da wurde das dann ein bisschen beiseitegeschoben und es wurden, und das ist eigentlich bis zu letzt gemacht worden, die bespielbaren MEL-Filter weiter verwendet. Das ging, und das ist was ganz tolles, wer das kennt, diese unglaublich steilen Filter, die man heute eigentlich auch elektronisch noch nicht in dieser Flankensteilheit nachbilden kann. Die ermöglichen Effekte für den der das hört, der weiß ja nicht wie das entsteht. Ich habe dann immer das Beispiel gebracht, dass man einen Ton in eine Schwebung bringt und die Filter sind so steil, ich kann die eine Seite der Schwebung unterdrücken und die andere ist da! Da kenne ich nicht ein einziges anderes Gerät, das sowas kann. Das ging nur mit diesen MEL-Filtern. Das ist eine Entwicklung gewesen von Herrn Paul Arnold. Das ist natürlich etwas ganz erstaunliches, weil man da ja scheinbar Töne spielen kann, die lagen dann auf einer Tastatur und die waren so abgestimmt, dass das auch dem Tonhöhenempfinden entsprach. Natürlich ist das im Grunde genommen ein "Band" und kein Ton, es ist eigentlich in Wahrheit ein Geräusch, aber ich kann es genau bestimmen [Anmerkung: hier ist kein Tonband gemeint, sondern ein sogenanntes Filterband. Bandpaßfilter ermöglichen im Gegensatz zu Hoch- oder Tiefpaßfiltern das Dämpfen beider Enden eines Ton- oder Klangspektrums, dadurch werden enge, oft eher mittlere Bereiche hervorgehoben]. MM: Da sie das gerade angesprochen haben, wenn ich das SUBHARCHORD mit den Synthesizertypen, also den analogen Synthesizertypen vergleiche, wie sie in den 60er- und 70er-Jahren produziert worden sind, da meine ich auch, dass gerade die MEL-Filter beim SUBHARCHORD das Besondere, das Tolle waren und bis heute für mich das eigentlich Verblüffende und Interessanteste waren am SUBHARCHORD. Das muss ich auch aus eigener Erfahrung sagen. KB: Ja. MEL-Filter heißen sie ja nach der MEL-Skala, eine andere Art Tonhöhenbestimmung, da kommt der Name her. Aber, wie gesagt, das ist also tatsächlich eines der wichtigsten Dinge daran gewesen. Das andere: eigentlich ist es ja von der Klangerzeugung her ein reiner Sägezahngenerator und wir haben es dann eben im Hörspiel auch dafür verwendet um sehr schnell zu irgendwelchen klanglichen Effekten zu kommen, weil wir durch diese unterschiedlichen Teilungsmöglichkeiten, die parallel laufen konnten, das war ja auch der große Vorteil, dass man praktisch diesen einen Kanal in vier Kanäle aufspalten konnte, die dann unterschiedlich geteilt waren und das dann wieder zusammenfassen konnte, dann noch mal klanglich bearbeiten konnte mit allen möglichen Filterarten, die dort eingebaut sind. Es sind eine ganze Menge Filter, da merkt man dass der Herr Schreiber von der Orgelseite kam. Die haben ja ganz typische Orgelregisternamen. Wenn man da mal guckt, wie die beschriftet sind ... MM: Z.B. mit "Fagott" ... KB: ... ja, das ist genau wie bei der Orgel, das ist natürlich ein Klang, der nicht klingt wie ein Fagott, sondern nur ähnlich. Diese Registerbezeichnungen sind uralt, die kommen, glaube ich, noch aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, von daher stammen teilweise schon diese Bezeichnungen. Das sind bestimmte Klangfarben, die haben eben den Namen "Fagott", sind aber nur angenähert. Das war eben immer die Schwierigkeit, wenn Komponisten kamen und sagten "ich möchte jetzt hier ein Instrument nachahmen", das war, wo man dann immer als Ingenieur sagen musste: "Vorsicht, das wird nur angenähert, das ist aber nicht das Instrument! Außerdem ist es auch Unsinn, denn wenn ich das Instrument haben will, dann habe ich einen Musiker, der das Instrument spielt! Warum soll ich das mühselig künstlich erzeugen. Unsere Aufgabenstellung war ja anders, wir wollten erstmal irgendwelches Material herstellen und dieses Material bearbeiten und das geht nur im Studio. Live damit zu arbeiten, wir haben es ja versucht, Wehding hat das gemacht, Hohensee hat das gemacht, da hat man mächtige Einschränkungen. Weil man nur das nutzen kann, was man schnell einstellen kann und da kam dann noch ein Manko dazu, dass das SUBHARCHORD ja nie fertigentwickelt wurde. Es war ja auch vorgesehen sämtliche Einstellungen abspeichern zu können, elektrisch, damit man die später wieder herstellen kann. Dazu ist es nie gekommen. Ich weiß noch, dass die Anschlüsse, also der Platz usw., das war alles angedacht, das ist aber nicht mehr zur Entwicklung gekommen und wir mussten uns immer unglaublich viele Notizen machen. Und wenn soviel einstellbar ist, wie an diesem Instrument, wird einem immer irgendetwas durch die Lappen gehen, was man nicht notiert hatte. Manchmal entstehen dadurch wieder neue Effekte, indem am nächsten Tag gesagt wird: "ach, gestern hat mir da was so gut gefallen, mach das doch nochmal!" Man kriegt den Klang absolut nicht wieder hin! Kriegt aber dafür einen ganz anderen und sagt "ah, den nehmen wir aber, das ist es!". Und dann weiß man auch wieder nicht wie ist das denn eigentlich entstanden, weil es in Wahrheit irgendwelche "Dreck-Effekte", wie man dazu sagen kann, waren, die da mitgespielt haben! [lacht] Aber so ist das: bei der Effektherstellung hat man häufig auch mit solchen Zufallsdingen zu tun, dass zufällig irgendetwas entsteht und dann muss man bloß sagen "sofort aufzeichnen!", - ob man das jemals wieder nochmal machen kann, das ist unsicher. Es ist heute kein Problem bei der digitalen Technik, wo man alles aufzeichnen kann und weiß, wie etwas entstanden ist. MM: An dieser Stelle würde ich sie fragen, wenn sie die digitale Technik sehen, also das sehen was heute geboten wird, wie könnte man das dann beurteilen: haben Instrumente wie das SUBHARCHORD noch eine Daseinsberechtigung oder sind das reine Museumsstücke.? Wie ist ihre Meinung? KB: Das ist schwierig zu beantworten. Da ist natürlich "Museumsstück" schon ein Begriff an dem etwas dran ist. Sehr viel kann man also heute einfacher lösen. Sehr viel. Aber, wir hatten vorhin über die MEL-Filter gesprochen, wo man dann deutlich an Grenzen stößt, wo man sagt "aha, da kann das SUBHARCHORD etwas, das kein anderes Instrument kann". Also so ganz "Museumsstück" ist es auch nicht. MM: Wie haben sie denn den Abbruch der Produktion, also den Stopp der Kleinstserie von sieben oder acht Stück erlebt? KB: Ich habe das nur insofern erlebt, dass die eigentliche Planung , wie ich sie auch hatte, dass ein elektronisches Studio entsteht [Anmerkung: im Funkhaus Nalepastraße], dass das nicht entstand und dann hatte ich mit meiner Hörspielproduktion so viele andere Sachen zu tun, dass ich mich um diese Seite nicht mehr so sehr gekümmert hatte. Was da anderweitig noch gelaufen ist, ich wusste zwar, da geht irgendwas nicht weiter, aber wir haben dann eben das was wir hatten genutzt. MM: Was mich im Laufe der letzten Jahre und schon ganz zu Anfang meiner Recherche, vor sechs Jahren im Jahr 2000, wirklich gewundert hat war, dass das SUBHARCHORD als Instrument im Gegensatz zum Trautonium, zum Mixturtrautonium und zu anderen Raritäten der Elektronischen Musikgeschichte, in fast keinem Lexikon verzeichnet war. Meines Wissens nach gibt es von Wolfgang Thiel ein Lexikon der Filmmusik, da taucht es kurz auf, aber sonst habe ich es nirgendwo in der Literatur gefunden ... [Anmerkung: in diesem Moment geht Herr Bechstein ans Bücherregal und holt ein Musiklexikon hervor und blättert ...] KB: Hier, im "Wörterbuch der Musik", Verlag Neue Musik Berlin, 1979, gibt es eine kurze Rubrik zum Subharchord und den Subharmonischen. MM: Da staune ich, das kenne ich noch nicht! Aber: im Gegensatz zum sehr viel früher entwickelten Trautonium und zum Mixturtrautonium, das ja in Oskar Sala einen sehr vielseitigen Vermarkter fand, konnte das SUBHARCHORD offensichtlich nicht so in dem Maße international vermarktet werden. Wie ist es zu erklären, dass es tatsächlich kaum in der Literatur auftaucht? War man nicht so interessiert daran, weil es noch in der Entwicklung war, war es zu früh um damit hervorzutreten? KB: Also ich würde vermuten es liegt daran, dass es etwas speziell in der Verwendung war, dass es also überwiegend um Filmmusiken, um Hörspielmusiken ging und wenig um eigenständige Musik. Das waren nur ganz bestimmte Komponisten, die dort Bescheid wussten, dies aber auch kannten. Wenn wir also an die bekannten Musiker denken, die elektronische Musik komponieren, die wussten schon was das ist, die haben ja auch damit gearbeitet. Und dann war es eben von Anfang an so, dass sich elektronische Studios dafür interessiert hatten und davon gab es nicht allzu viele und dann spielt vielleicht tatsächlich auch die Trennung West - Ost mit. Ich habe auch später festgestellt, man hat ja im Westen in vielen Fällen gar nicht gewusst, wie war denn eigentlich der Stand der Studiotechnik im Osten. Da hatte man teilweise völlig falsche Vorstellungen. Ich muss ja bis heute noch sagen, dass ich also auch ganz merkwürdige Erfahrungen gemacht habe nach der Wende hinsichtlich des Wissensstandes. Teilweise sehr schreckliche! [lacht] MM: Da bin ich gespannt ... KB: Weil wir oftmals viel mehr Bescheid wussten über Technisches und inneres Technisches und ich dann auf Kollegen stieß, die über das, wie eigentlich irgendwelche Dinge innerlich arbeiten, keinerlei Ahnung hatten. Ich kann ein kleines Beispiel erzählen: nach der Wende ging eines unserer Importgeräte kaputt beim Rundfunk. In dieser Übergangszeit, wo das noch existierte. Hier in Berlin. Da waren Mitarbeiter schon zum RIAS gegangen, der RIAS hat die ja übernommen und beim RIAS ging es kaputt. "Was machen wir denn nun? Da müssen wir es einschicken." So wie das in vielen Betrieben heute geregelt ist. Ein Messtechniker von uns sagte "Moment mal! Das nehme ich mit nach Hause, morgen früh geht das." Ich muss aber dazu sagen, dass auch unsere Messtechniker eine ganz andere Ausbildung hatten, die sind ja auch von SONY geschult worden als Toningenieure hinsichtlich der Digitaltechnik und Ähnlichem. Wir haben ja schon digital produziert, wo das in der Bevölkerung überhaupt nicht bekannt war. Und der wusste natürlich wie so etwas geht und sagte "das kann man reparieren". Und siehe da: er konnte es reparieren, am nächsten Tag ging es. Da trat für uns oft die Frage auf: was ist nun eigentlich Effektivität? Sechshundert Mark für den Transport und ähnliches bezahlen oder, wie ich es mal persönlich mit einem Sony-Verstärker erlebt habe, Zweimarkfuffzig bei CONRAD ausgeben oder einen Kostenvoranschlag beim Service mit dreistelligem Betrag? MM: Was wissen sie von den Subharchord-Typen, die überwiegend im Ostblock verkauft worden sind? Sind ihnen diese Exportmodelle irgendwann nochmal begegnet oder haben sie von dem einen oder anderen nochmal was gehört? KB: Begegnet sind mir nur die im östlichen Bereich. Dort konnten wir ja auch hinreisen, ich hatte ja auch einen Pass, der nur in diesen Ländern galt, woanders konnten wir nicht hin. Ich konnte mich also nur über Rundfunk, Fernsehen, Fachliteratur, die uns allerdings voll zur Verfügung stand, über die Entwicklung informieren, was auf der westlichen Seite eigentlich ablief. Aber ich konnte also niemals persönlich in so ein Studio, das konnte nur mein Abteilungsleiter, der also solche Studios besucht hat, das hängt damit zusammen, dass er wohl Parteimitglied war und ich war keins. Bratislava kenne ich und in Warschau war ich auch, da habe ich mich richtig informiert, was machen die in Polen. Das war ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch aber da waren keine SUBHARCHORDS. Wenn ich Urlaub hatte und Reisen gemacht hatte, hatte ich immer versucht in die dortigen Studios reinzukommen und zu gucken, was machen die denn da eigentlich und wie machen sie das. Darüber, vor allem, was ich in der Sowjetunion erlebt habe, möchte ich mich nicht auslassen. [lacht] Die Tschechoslovakei war ja recht weit auf dem Gebiet, die waren da sehr eifrig, und Polen natürlich sowieso. Da sollte es auch zu einer Zusammenarbeit kommen, aber all diese Dinge sind irgendwie dann nicht zustande gekommen. Da sind ja aber Instrumente hingekommen, was aus denen später geworden ist weiß ich nicht. Ob die verschrottet wurden oder ob sie irgendwo noch herumstehen? Da habe ich keine Ahnung. Ich kenne nur das, - und da weiß ich ziemlich genau Bescheid -, was das Trickfilmstudio in Dresden hatte, weil es ja ein Kollege von mir war, der mit mir zusammen auch das Zusatzhochschulstudium gemacht hat, und wir stehen auch heute noch in Verbindung und der hat mir gesagt was also dort passiert ist. Der kann ja auch befragt werden was im Trickfilmstudio los war. Dort ist es ja auch ein wichtiges Instrument gewesen. Das waren ja die Produktionen, die in Dresden gemacht wurden, dort an Ort und Stelle, dort hat es auch Rundfunkaufnahmen gegeben, die in Dresden produziert wurden, weil das einfach war und da mussten die nicht jedesmal hier nach Berlin fahren. MM: In meinem Interview mit Herrn Karl-Ernst Sasse sprachen wir darüber [Anmerkung: veröffentlicht als Teil einer Serie im Fachmagazin KEYBOARDS, Ausgabe 10/2003]. Der Herr Sasse hat beschrieben, daß das SUBHARCHORD in Dresden verschrottet worden ist, nach und nach ausgeschlachtet wurde und der Rest wanderte wahrscheinlich auf den Müll. Insofern kann man froh sein, dass es noch einige Instrumente gibt, die vorm Verschrotten bewahrt werden konnten. Ja, und wer weiß, vielleicht ist ja das eine oder andere, wo auch immer, noch vorhanden! (...) Ist es machbar, dass angesichts der Technik, die damals verwendet wurde, die ja für die damalige Zeit weit entwickelt war, man hatte Halbleitertechnik benutzt, die aber noch nicht den späteren Ansprüchen entsprach, - ist es überhaupt möglich so ein SUBHARCHORD so instandzusetzen, dass man nicht vielleicht den Klang völlig verfälscht? Dass beim Versuch Sachen nachzukonstruieren, z.B. die Rhythmisierungseinrichtung, etwas ganz anderes dabei herauskommt? KB: Also, wenn ich von meiner praktischen Erfahrung ausgehe, würde ich sagen, das, was Transistorentechnik betrifft, das ist eigentlich so stabil, dass ich davon ausgehe, dass die Leiterkarten in eigentlichem Sinne noch funktionieren, dass die gehen werden. Denn eine Reparatur ist insofern schwierig, weil man ja eventuell bestimmte Bauelemente nicht mehr bekommen kann. Wenn ich davon ausgehe, wie dieses Studio "Hörspiel 2 im Block B der Nalepastraße" unterhalten wird, das lebt ja bis heute nur aus Lagerbeständen indem der Messtechniker, der das wartet damals alles zusammengerafft hat was er zusammenraffen konnte und ein riesiges Lager hat von den entsprechenden Geräten, die sich dann teilweise auch ausschlachten lassen wegen der Bauelemente. Aber, wo die eigentlichen Störungen auftreten, das ist ja -, bis auf die Dinge, die ich vorhin mit dem "Prasseln des Hauptverstärkers" sagte, wo also wirklich am Verstärker eingegriffen werden muss, weil da ja irgendein Bauelement kaputt ist, wo ich auch jetzt nicht weiß welches, ob das zu ergänzen geht oder nicht, - geht es um die Schalter. Die Schalter korrodieren natürlich im Laufe der Zeit, aber: mit viel Mühe lassen sie sich reinigen. Und nun ist es ja so, dass an diesem SUBHARCHORD, was in der Nalepastraße steht, da sind als Bedienung ja Druckschalter verwendet worden, nicht die Kelloggschalter, sondern das sind andere Schalter. Und die Teilerschalter, die die Teiler schalten, die korrodieren auch. Da habe ich damals teilweise schon Probleme gehabt, dass die nicht richtig Kontakt gaben. Die müssen dann wahrscheinlich zerlegt werden und ganz gründlich gereinigt und wieder zusammengebaut werden, wobei das eine Ausführung ist, die sich zerlegen lässt. Ich kann das allerdings nicht machen. (...) Ich habe aber die Unterlagen zum Umbau gerade jetzt voriges Jahr alle übergeben, weil ja der Gedankengang war eventuell dort was wiederherzustellen, zu reparieren. Was ich noch an Skizzen hatte, habe ich jetzt nicht mehr in der Hand, sondern das habe ich zur Verfügung gestellt, damit überhaupt die Unterlagen da sind über das was gemacht wurde. Anscheinend ist ja mittlerweile auch die Hauptunterlagenmappe wieder aufgetaucht, die lange Zeit verschollen war. Wir hatten die Änderungen, die wir im Hörspielstudio gemacht hatten, nur in dieser Mappe eingetragen, die dort im Studio im Schrank war und nicht auf der zweiten Unterlage, die beim Abteilungsleiter war, bzw. bei der Messtechnik. Die hat wahrscheinlich gar keine gehabt, das weiß ich nicht mal. Es hat, glaube ich, nur zwei Mappen gegeben und eine war beim Abteilungsleiter und eine war unten im Studio. Und da ich ja nun unten gebaut habe, habe ich natürlich auch nur dort, auf den Blättern, die auch die Messtechnik in die Hand bekommen hat, die Änderungen eingetragen gehabt, und die waren lange Zeit verschwunden. Ich hatte sie nicht mehr gefunden. (...) Aber ich hatte ja die Handskizzen und die habe ich jetzt abgegeben. Weil ich auch gesagt hatte, ich kann es selbst nicht machen, aber ich kann eventuell beraten. MM: Dann würde ich sagen, schauen wir mal, wie es mit den noch verbliebenen Instrumenten weitergeht und welche Zukunft diese noch haben. Vielen Dank Herr Bechstein! * www.subharchord.de |