2. AUFBAU EINES LABORS FÜR AKUSTISCH - MUSIKALISCHE GRENZPROBLEME Die danach anschließenden Begegnungen mit Technikern und Komponisten der damaligen "elektronischen Musik" in Köln (HERBERT EIMERT, STOCKHAUSEN, HEINZ SCHÜTZ), in Darmstadt (MEYER-EPPLER), in München (Siemens-Studio mit JOSEF ANTON RIEDL und ALEXANDER SCHAAF), Mailand (BRUNO MADERNA, LUCIANO BERIO, LUIGI NONO), ließen den Wunsch reifen, intensiver auf dem Grenzgebiet zwischen Musik und Akustik zu forschen. Der damalige Vize-Minister GERHARD PROBST für den Bereich Rundfunk und Fernsehen beim ostdeutschen Postministerium, vorher selbst Toningenieur und Chefingenieur beim Sender Dresden und auch begeisterter Fan für elektronische Klänge, ließ sich (offensichtlich gern) überzeugen, dass man ein eigenes Laboratorium für diese akustisch-musikalischen Grenzprobleme (innerhalb des Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamtes der Deutschen Post in Berlin-Adlershof) benötigte und auch eigene elektronische Klangerzeuger entwickeln sollte. Dank seiner Durchsetzungskraft konnten diese Wünsche Wirklichkeit werden. Die Untersuchungen in diesem neu aufgebauten Labor unter Leitung des Autors, insbesondere die subjektiv-statistischen Tests [1] , die zur damaligen Zeit noch gar nicht in aller Welt selbst-verständlich waren, drangen auch über die Zonengrenzen und machten das Labor innerhalb der europäischen Rundfunk- und Fernsehanstalten bekannt [2]. Neben umfassenden Aufgaben zur Einführung der Rundfunk-Stereofonie und zur Verbesserung der Übertragungsqualität, auf die hier nicht einzugehen ist, konnte sich Ende der 50er Jahre eine kleine Forschungsgruppe dieses Labors in Adlershof endlich den Problemen der elektronischen Klangerzeugung widmen. Eine nicht zu
unterschätzende Unterstützung unserer Absicht, sich mit Elektronischer
Musik zu befassen, erhielten wir von Professor Manfred von Ardenne. Ardenne übernahm
nicht nur Einleitung und Diskussion, sondern erzählte auch von seiner
ersten Begegnung mit derartigen Klängen 1926. Seinerzeit demonstrierte
der Petersburger Professor Theremin in Berlin sein Gerät, wobei u.a.
auch Albert Einstein, Prof. Nernst (der später dann den Neo-Bechstein-Flügel
konzipierte), und Dr. Vierling anwesend waren. Letzterer konstruierte
danach an der TH Charlottenburg eine erste elektronische Orgel mit Glimmröhren.
Vor allem war ein guter Bekannter von Ardenne aus dessen Zeit der Tätigkeit
bei der Röhrenfirma Loewe mit dabei, Dr. Trautwein, der, wie Ardenne
in seinen Memoiren schreibt, der Entwicklung von Prof. Nernst bald mit
dem Trautonium folgte (siehe in: Ardenne, Manfred von, Ein glückliches
Leben für Technik und Forschung, 1972, Verlag der Nationen Berlin,
sowie in diesem Rückblick auch Bild 1, Seite 4). Ardenne lud später (April 1961) den Autor erneut ein; dann, um über die Einführung der Stereofonie beim Rundfunk und unserer Vorbereitungen zu informieren und dafür Interesse und Unterstützung zu gewinnen. Auch hier hatte Ardenne bereits in den Anfangsjahren durch seine 2-Sender-Versuche in Berlin Pionierarbeit geleistet wieder eine moralische Unterstützung für uns, nachdem doch die Ökonomen des RFZ gerade beweisen wollten, dass Stereofonie eigentlich völlig unökonomisch sei und die Entwicklung eingestellt werden sollte. Glücklicherweise setzten sich der Forschungschef des RFZ, Prof. Hermann Stier, und der Vizeminister, Gerhard Probst, über diese nachteiligen Einsprüche und Einflüsse hinweg. (G. Probst hatte übrigens den Erwerb der o.a. Polychord-Orgel nach der Funkausstellung Düsseldorf, ca. 1956, veranlasst!). Die beabsichtigte
Entwicklung einer elektronischen Orgel mit hohen Ansprüchen,
die beim Werk für Fernmeldewesen begonnen worden war ("Toccata-Orgel"),
musste zunächst zurückgestellt werden. Sie konnte vor allem
aufgrund der Einsprüche eines sog. "Arbeitskreises" der
damaligen Plankommission (die alles reglementierte), aber auch von seiten
der Musikinstrumenten-Industrie und des Kulturministeriums wegen der für
Seriengeräte erwarteten hohen Kosten - verglichen mit den Billigprodukten
Hammond- oder Polychord-Orgel - auch in dem o.a. Labor nicht weitergeführt
werden. Sie wurde Anfang der sechziger Jahre dem Betrieb Musikelectronic
Geithain (seinerzeit einer kleinen Produktionsgenossenschaft), der hier
sehr erfolgreich tätig werden konnte, überlassen. Für eine große elektronische Rundfunk-Orgel sollte später eine eigene Entwicklung gestartet werden, nachdem sich zeigte, dass die auf 440 Hz gestimmte Sauer-Orgel im Funkhaus Berlin von den Musikern nicht angenommen wurde (Die Kammerton-Story ist ja auch heutzutage wohl noch eine unendliche Geschichte). Die Ablehnung lag aber auch an der Intonation und einer für den 12.000 qm; großen Saal nicht ausreichend großen Lautstärke (siehe auch [2]). Hierzu wurden umfangreiche messtechnische Untersuchungen an den über 200 Jahre alten Silbermannorgeln in Rötha und Freiberg/Sa. durchgeführt, um etwas hinter deren überzeugende Klangschönheit im Vergleich zu der neuen Funkhaus-Orgel zu kommen (die Ergebnisse wurde bereits 1967 auch im "Musikinstrument" [4] veröffentlicht). ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS oder WEITER ZUM NÄCHSTEN TEIL Literaturhinweise: [1] Steinke, G.: Subjektive Bewertung der Übertragungsqualität. Techn. Mitteilungen des BRF 2 (1958), 2., S.27-30, 36. ZURÜCK [2] Steinke, G.: Akustisch-Musikalische Grenzprobleme in der Rundfunk- und Fernsehtechnik. Techn. Mitteilungen RFZ 11 (1967), 4. S. 149-159. ZURÜCK [3] Steinke, G.: Lautsprecher von Joachim Kiesler: Preisgekrönte Qualität. Das Musikinstrument 42 (1993), 2-3, S.90-92. ZURÜCK [4] Steinke, G.: Akustische Messungen an der G. Silbermann-Orgel in der Kirche St. Georg in Rötha.Das Musikinstrument 16 (1967), 3, S. 474, 479-481. ZURÜCK
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