Die Geschichte des Klangerzeugers „SUBHARCHORD“

4. Ende und Ausblick


Das Subharchord Typ II - im März 1965 auf der Leipziger Messe


Das Ende der Klangforschung im Experimentalstudio, die Arbeit am subharmonischen Mixturinstrument wird eingestellt. Ob sie wohl wieder aufgenommen wird ...


„Auch in der Musik setzt sich die Elektronik immer mehr durch.“ Zu dieser Schlußfolgerung kommt das Magazin „radio fernsehen elektronik“ in der Ausgabe vom September 1968 1. In dem Heft wird das Subharchord als Erfindung des Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamtes der Deutschen Post (Berlin-Adlershof) anhand einer weiterentwickelten Version ausführlich beschrieben. Eine Ausgabe vorher wurde in der Fachzeitschrift bereits ein spannungsgesteuerter Rechteckwellengenerator inklusive Bauanleitung vorgestellt 2. Spannungsgesteuerte Oszillatoren? Zieht hier eine Moog´sche Wolke nach Osten, die unserem subharmonischen Instrument die Zukunft verdunkelt?


Noch scheint die Sicht gut zu sein, denn in den Technischen Mitteilungen des RFZ vom Dezember 1967 heißt es: „Während sich das Experimentalstudio im RFZ weiterhin der Entwicklung und der Klangforschung widmen wird, ist zukünftig vorgesehen, in einem reinen Produktionsstudio im Funkhaus Berlin autonome Stücke zu realisieren.“3 Das heißt, das Tonstudio im Labor für Akustisch-Musikalische Grenzprobleme, der Geburtsstätte des Subharchords, soll ab 1968/69 ins große Berliner Funkhaus an der Spree verlegt werden. Dies war ein Gedanke, der schon Mitte der 60er Jahre gefaßt worden war. Das Subharchord würde dann, so wie es sich die Erfinder von Anfang an vorgestellt hatten, als Kernstück eines großen professionellen Produktionsstudios glänzen.


Während die Planung lief und die erforderliche technische Studio-Ausstattung bereits bestellt und gebaut wurde, verfinsterte sich die politische Wetterlage, eine Situation entstand, die schließlich das Ende des Subharchords zur Folge hatte.

Cover der Fachzeitschrift radio fernsehen elektronik, 1968


Eine Konkurrenz oder gar Verdrängung durch die Einführung und Verbreitung neuer kleiner transportabler Synthesizer wie dem Minimoog oder dem Klanglabor im Koffer, dem EMS Synthi AKS, war zu dem damaligen Zeitpunkt, Ende der 60er Jahre, noch nicht gegeben, denn diese Instrumente standen erst Mitte der 70er in der DDR vereinzelt zur Verfügung. In technischer Hinsicht war das Subharchord keineswegs plötzlich veraltet oder ersetzbar geworden.


Den Grund, wieso die Überführung des Subharchord-Studios in das große Rundfunkgebäude scheiterte und das Instrument damit nicht mehr zur Verfügung stand, beschreibt der Musikwissenschaftler und Komponist André Ruschkowski rückblickend: „Dafür waren – so hieß es damals offiziell – Platzgründe ausschlaggebend. Entscheidend war jedoch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber experimenteller Musik allgemein und elektronischer Musik speziell, da man sich über ihre Funktion innerhalb einer sozialistischen Musikkultur nicht einig war. Demzufolge waren die Gründe für die Einrichtung eines Studios aus damaliger kulturpolitischer Sicht nicht so zwingend, daß der Rundfunk sich genötigt gesehen hätte, entsprechende technische und organisatorische Bedingungen zu schaffen bzw. die erforderlichen Investitionsmittel bereitzustellen.“4


Der ehemalige Leiter des RFZ-Labors, Dipl. Ing. Gerhard Steinke, beschreibt die Geschehnisse in seinen niedergeschriebenen Erinnerungen folgendermaßen: „Kurz vor dem Umzug ins Funkhaus Berlin (1969) wurde uns mitgeteilt, dass ´leider keine Räume mehr zur Verfügung´ stünden. Auf den Protest des Autors hin, ließ sich der damalige Chef des Funkhauses Berlin (der Vorsitzende des Staatlichen Rundfunk-Komitees, Reginald Grimmer) persönlich herab, in einer gemeinsamen Begehung des Hauses zu beweisen, dass es nur am fehlenden Raum liege. Der vorgesehene Raum, für den alles projektiert worden war (vormals das Büro eines Herrn E. von Schnitzler), war aber kurz vorher der Gewerkschaftsleitung zugewiesen worden, die auch der Rundfunkvorsitzende nicht mehr umquartieren wollte, wie er behauptete. Da musste das mit viel Mühe vorbereitete Projekt aufgegeben werden. Die fertiggestellten Anlagen wurden nach vergeblichen Protesten, auch aus dem Funkhaus Berlin selbst, d.h. den Musikredaktionen und Komponisten, verschrottet! (...)


Unsere Kritiken an dieser volkswirtschaftlichen Verschwendung und der damit für die Komponisten gegebenen Beschränkung, wurden danach schon bösartiger beantwortet. Die Leitung des RFZ empfahl, sich vorsichtig zurückzuziehen, und die Arbeiten in dem Experimentalstudio langsam ´einschlafen´ zu lassen.“5

Einstellungsprotokoll für Subharchord aus dem Dresdner Trickfilmstudio (Archiv Karl-Ernst Sasse)


Fehlte der Druck aus künstlerischen Gremien? Schon Luigi Nono war gemeinsam mit Paul Dessau im Experimentalstudio erschienen um Anregungen zu geben, dh. es gab durchaus Versuche sich der Solidarität bekannter Personen zu versichern. Anläßlich einer initiierten Diskussion zur Frage wie weit man sich als Rundfunktechnisches Zentralamt, als eine Entwicklungsstelle des Funkwesens, mit der elektronischen Klangerzeugung befassen soll, erschienen mehr als 150 Musiker und Musikwissenschaftler aus allen Teilen der DDR.


Auch gab es noch im Herbst 1969 eine umfangreiche Untersuchung zur Optimierung der im Subharchord integrierten MEL-Filterbank. Lothar Thomalla legte seine Diplomarbeit im Fachbereich Hochfrequenztechnik und Elektroakustik vor, als Resultat seiner Suche nach einem optimalen Klangfarbenfilter für Studios elektronischer Musik.6


Doch die politisch Verantwortlichen hatten bereits entschieden und mit der elektronischen Klangerzeugung in Adlershof war es damit endgültig vorbei. Das Labor für Akustisch-Musikalische Grenzprobleme wurde 1971 weniger einfallsreich umbenannt in „Tonstudio-Technologie“ und bekam einen neuen Leiter um sich fortan anderen Aufgaben zu widmen: der Stereofonie, subjektiven Untersuchungen zur Tonqualität, Beschallungstechnologie, Tonstudiotechnik (so bestand es bis ca. 1990). Mit der Enteignung der Fa. Hempel KG, dem Vertrieb des Subharchords, entfiel schließlich auch die Vermarktungsmöglichkeit.

Subharchord Typ II / III (Detail)


Die Komponisten, die trotz der offiziellen, sehr skeptischen Haltung noch an elektronischen Klängen und neuer Musik interessiert waren, mußten auf entsprechend ausgestattete ausländische Studios ausweichen (z.B. in Polen, der Tschechoslovakei und Ungarn) oder kehrten wieder zur aufwendigen Tonbandarbeit der 50er Jahre zurück. Der zwecks Umgehung der Bezeichnung „Musik“ für das umstrittene elektronische Genre eingeführte Begriff „Klangkunst“ wurde in den 70er Jahren durch „Hörstück“ ersetzt ...


Schließlich waren die ersten Synthesizer aus amerikanischer und englischer Produktion in der DDR verfügbar (s.o.). Anfang der 80er Jahre wurde sogar ein großes Moog-Modularsystem durch die Grenze geschleust: der Musiker Reinhard Lakomy7 hatte es Edgar Froese (Tangerine Dream) für 11 000 DM abgekauft. Lucky man! Es war jenes System, das Mick Jagger 1967 von Bob Moog orderte, um es dann enttäuscht zurückzuschicken; anschließend hatte Froese die Modul-Schränke erworben.

Das Subharchord war inzwischen völlig in Vergessenheit geraten, - als der Autor dieses Textes vor ca. zwei Jahren zufällig von der Existenz des Instrumentes erfuhr (mehr dazu auf der Website www.subharchord.de). In der Fachliteratur sucht man vergeblich nach Verweisen, lediglich im „New Grove Dictionary of Music and Musicians“8 fand sich ein kurzer Eintrag: „The Subharchord, similar to the Mixtur-Trautonium, was also featured in several East German solo works with orchestra.“


Gegenwärtig wird versucht, einen der noch verbliebenen Subharchord-Klangerzeuger zu erwerben und mit fachkundiger Hilfe zu restaurieren, um das Instrument wieder für Musik-Produktionen zur Verfügung zu stellen. Sollte dies gelingen, dann erhält die Geschichte des Subharchords vielleicht eine Fortsetzung ...

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Quellenangaben:


1 in „radio fernsehen elektronik“, Heft 18/1968, S. 569, VEB Verlag Technik Berlin.
2 „radio fernsehen elektronik“, Heft 17/1968, S. 542, VEB Verlag Technik Berlin.
3 in „Technische Mitteilungen des RFZ“, Jahrgang 11, Heft 4, Dezember 1967.
4 André Ruschkowski in: „Spektrum 1989“, eine Publikation der C.I.M.E., Internationale Gesellschaft für elektroakustische Musik, Sektion DDR, 1989.
5 Gerhard Steinke in: „Rückblick auf das Subharchord und die Arbeit des Studios für künstliche Klang und Geräuscherzeugung“, Berlin, aktualisierte Fassung, 11/2002.
6 Diplomarbeit, vorgelegt von Lothar Thomalla an der Technischen Hochschule Ilmenau, 31.8.1969.
7 Reinhard Lakomy, „Es war doch nicht das letzte Mal“, Verlag Das Neue Berlin, 2000.
8 „The New Grove Dictionary of Music and Musicians“, second edition, Volume 8, Macmillan Publishers Limited, 2001

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* www.subharchord.de