Die Geschichte des Klangerzeugers „SUBHARCHORD“

2. Standorte und Technik


Ein völlig in Vergessenheit geratener subharmonischer Synthesizer-Vorläufer wird wiederentdeckt. In dieser Folge geht es um die Standorte und die Technik.


Das Subharchord wurde ab Mitte der 60er Jahre in einer Kleinserie von sieben oder acht Stück produziert. Nachdem die Entwickler und Konstrukteure im Labor für Akustisch-Musikalische Grenzprobleme die Vorarbeit geleistet hatten, übernahm die Firma „Gerätebau Hempel KG Limbach-Oberfrohna“ die Vermarktung. Das Instrument wurde im März 1965 auf der Leipziger-Messe gezeigt, die ihren achthundertsten Geburtstag feierte. Über 735 000 Besucher aus 90 Ländern konnten das Subharchord begutachten, das mit den Worten angepriesen wurde: „Subharchord – Ihr Vorteil. Elektronische Klänge für Studios und Bühnen.“ Der Preis betrug um die 30 000 DDR-Mark, in West-Währung war das Instrument etwas billiger ...


Wie macht man ein so seltenes Instrument nach 40 Jahren ausfindig? Für den Autor dieses Artikels stellte sich die Frage nicht, er vertraute zu Beginn seiner Recherche hoffnungsvoll dem Internet und landete sogleich auf den Seiten des Ringve-Museums in Trondheim, Norwegen. Das Museum ist in Besitz eines (allerdings nicht mehr funktionierenden) Subharchords, das der Norwegische Rundfunk dereinst orderte. Der freundliche Kurator des Museums, das noch solche Kleinigkeiten wie das Roland-System-700 zu seinem Bestand zählt, schickte auch bald ein erstes Foto. Während der Autor am Bildschirm das Design des Instrumentes bewunderte und sein mageres Budget in Bezug auf eine Reise nach Norwegen überprüfte, wußte er noch nicht, daß ein genau baugleiches Subharchord in zwei Kilometer Entfernung von seinem Schreibtisch in einem Abstellraum stand!

Museumsreif: das Subharchord im Ringve Museum, Norwegen, 2002

Nicht nur in den kühlen Norden wurden Instrumente exportiert, ebenfalls nach Pilsen, Prag, Bratislava (siehe Foto in Teil 1), Warschau, und in die UdSSR z.B. Auch das Dresdner Trickfilmstudio erhielt ein Subharchord und schließlich stand der Autor (nach abenteuerlicher Suche) endlich vor dem verschollen geglaubten Instrument das ihm damals „ganz nahe war“: dem Subharchord im Berliner Funkhaus. Aber auch dort zeigte sich ein Problem, das den Sammlern alter Synthesizer bekannt ist: trotz fachkundiger Handhabung blieb das Instrument stumm. Die damals verwendete Halbleitertechnik war neu und wenig entwickelt. Zudem standen nicht die hochwertigsten Bauteile und Materialien zur Verfügung. Dies und die Tatsache, daß die Instrumente meist lange nicht in Betrieb waren, führte zu einer Vielzahl von Defekten.

Schön aber stumm: Subharchord im Berl. Funkhaus, 2003, Gehäuse offen

Anders sieht es aus, wenn alte Technik verantwortungsbewußt am Leben erhalten wird: die Tatsache, daß ein kleines Juwel, ein früher Subharchord-Prototyp noch teilweise funktionsfähig ist (siehe 1. Teil), ist den beiden Mitarbeitern des Studios für elektroakustische Musik der Akademie der Künste, Georg Morawietz und Gerd Rische zu verdanken. Tontechniker Morawietz kümmert sich mit viel Eigeninitiative um die Wartung und darum, daß die noch intakten Baugruppen bis heute im Studiobetrieb oder live benutzt werden! So baute er kurzerhand die MEL-Filtergruppe aus um sie auch extern verwendbar zu machen (Foto). Bei Bedarf kann der Filtersatz wieder ins Instrument integriert werden.
Mehr zu den MEL-Filtern im Internet! (Anm.: auf dieser Website)


Die ausgebaute MEL-Filterbank des Prototyps in der AdK, 2003


Georg Morawietz bestätigt die technische Anfälligkeit und erzählt von ausgelaufenen Kondensatoren, Platinen aus Pertinax, Kurzschlüssen, Oxydation und Verschmutzung, sowie nicht mehr aufzutreibenden Bauteilen.


Nun zur Funktionsweise. Vorher muß noch angemerkt werden, daß die Typenbezeichnung der Instrumente variierte, je nachdem ob das frühe, im Holzgehäuse befindliche Modell als „Typ I“ mitgezählt wurde oder ob die erste Version im Metallgehäuse als „Typ I“ galt. Insofern wird das letzte Subharchord Typ III auch oft als „Typ II“ bezeichnet. Die folgende Funktionsbeschreibung bezieht sich auf diesen, letzten Typ.


In der offiziellen Information des RFZ-Berlin aus den 60er-Jahren heißt es dazu u.a.:
„Bei Tastendruck liefert der einschwingende Steuergenerator Impulse, die in einer Triggerstufe (Impulsformer) in Rechteckschwingungen umgewandelt werden. Diese dienen zur Ansteuerung eines binären sowie von vier subharmonischen Frequenzteilern. In einer weiteren Stufe (Vibratogenerator) kann die Tonhöhe des im Steuergenerator erzeugten Tones (durch Tastendruck im Bereich g3-g6 gewählt) rhytmisch verändert werden (Frequenzmodulation, wobei Vibratofrequenz und –hub beliebig eingestellt werden können.)


An Stelle der Klaviatur kann ein Glissandoregler angeschaltet werden, um den Bereich der drei Oktaven, deren Tonhöhe transponierbar ist, stufenlos zu überstreichen. (...)


Der binäre Frequenzteiler liefert in Verbindung mit dem Steuergenerator gleichzeitig 7 im Oktavverhältnis zueinander stehende Frequenzen (1/2 bis 1/128), so daß durch entsprechende Schalterwahl (1’ - 64’) ein Tonumfang von über 10 Oktaven zur Verfügung steht. Da außerdem die Ausgangssignale gleichzeitig in zwei unterschiedlichen Wellenformen, Sägezahn- und Rechteck-Kurven verfügbar sind, besitzt das Gerät bereits in dieser Hinsicht erheblich mehr klangliche Möglichkeiten als das Mixturtrautonium.


Dem Steuergenerator und binärem Frequenzteiler sind vier weitere, sogenannte subharmonische Teiler zugeordnet, die zu diesem synchron ganzzahlige Teilfrequenzen liefern, und zwar in 1/2 bis 1/29. (...)
Durch geeignete Dimensionierung der Schaltungen wird erreicht, daß das einmal eingestellte Verhältnis der vier Sub-Teiler über den ganzen Frequenzbereich von zehn Oktaven erhalten bleibt. Die Einzelstimmen der vierfachen Mixtur können getrennt dosiert und in den nachfolgenden Filtersätzen verschiedenartig verformt werden. Das gilt auch für die zusätzlich verfügbaren, direkt vom binären Frequenzteiler abgeleiteten Melodiestimmen.


Nach den verschiedenartig aufgebauten Filtern (Hoch- und Tiefpässen mit einstellbaren Grenzfrequenzen, Bandpässen nach der MEL-Skala und Formantfiltern) und Verstärkung wird der so geformte Klang einer druckabhängigen Lautstärkeregelung zugeführt, die mit dem Tastenmanual mechanisch gekoppelt ist. In Abhängigkeit vom Tastendruck ändert sich der Ausgangspegel von Null bis zu dem vom Ausgangsregler eingestellten Maximalwert. Diese stufenlose Regelung erweitert auch erheblich die klanglichen Möglichkeiten durch An- und Abschwellen des Tones bzw. durch die freie Gestaltung des Toneinsatzes. Die Regelung wird durch eine neuartige Lichtsteuerung erreicht.


Darauf können in einer Abklingeinrichtung die Dauertöne in Zupf- bzw. Schlagklänge umgewandelt werden. Die Dauer des Abklingvorganges und die Steilheit der Abklingkurve sind regelbar. Die Ausgangssignale können abschließend noch durch eine Rhytmisierungseinrichtung in staccato-ähnliche Kurztöne umgewandelt bzw. mit einer chorischen Wirkung vorgesehen werden.
Die Chormodulation wird durch Addition des Ausgangssignales zu vier zusätzlich unterschiedlich verarbeiteten Ausgangssignalen erreicht. In den Zusatzkanälen werden die Signale mit verschiedenen Tieftönen frequenzmoduliert, so daß das komplexe Signal einen Choreffekt vermittelt.


Mit Hilfe eines Ringmodulators können Sinustöne oder Rauschen von der Klaviatur bzw. der Glissandospieleinrichtung gesteuert werden, so daß interessante Klang- und Geräuschstrukturen möglich sind.


Ein „Klangfarbenspiel“ ist auf einer besonderen, rechts neben der eigentlichen Spielklaviatur liegenden Klaviatur möglich. Mit deren Tasten werden mittels fotoelektrischer Tastsysteme knackfrei die im Gerät vorhandenen 14 Filter nach der Mel-Skala eingeschaltet, einzeln oder auch mehrere gleichzeitig, so daß der angelegte Klang ständig gefärbt werden kann. (...)“


Die nächste, 3. Folge wird weniger technikbezogen, denn dann geht es um: „Komponisten, Konvergenzen und Konflikte“.

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* www.subharchord.de